
BDA-Stellungnahme mit dem Vereinigten Königreich zum EU-Handelsabkommen
Nach intensiven Verhandlungen hat die Europäische Kommission eine Einigung mit dem Vereinigten Königreich über die Bedingungen seiner künftigen Zusammenarbeit mit der EU erzielt.
Die britische Regierung hat am 23. Februar 2021 im Rahmen des Partnerschaftsrats der EU und des Vereinigten Königreichs dem Vorschlag der Kommission zugestimmt, die vorläufige Anwendung des neuen Handels- und Kooperationsabkommens bis zum 30. April 2021 zu verlängern.
Das Abkommen wird seit dem 1. Januar 2021 vorläufig angewandt und sollte ursprünglich bis zum 28. Februar 2021 ratifiziert werden.
Die nun vereinbarte Verlängerung ist nur durch den gemeinsamen Beschluss des Partnerschaftsrats möglich. Sie dient der Fertigstellung der Übersetzungsarbeiten des Abkommens in alle 24 Sprachen der EU und soll dem Europäischen Parlament und dem Rat mehr Zeit zur Überprüfung des Abkommens gewähren.
EORI-Nummer verpflichtend: Zukünftig ist für den Warenverkehr mit Großbritannien die europäische Zollnummer EORI erforderlich, die hier beantragt werden kann.
Ein- und Ausfuhrverbote für bestimmte Waren: Für Großbritannien gelten Export und Importverbote für bestimmte chemische Produkte, Abfall- und Dual-UseGüter.
Dienstleistungserbringung: Der freie Dienstleistungsverkehr entfällt ab dem 1. Januar 2021. Dienstleistungsanbieter müssen somit die Vorschriften des jeweiligen Staates erfüllen. Das Handels- und Kooperationsabkommen beinhaltet Verbote verschiedener Beschränkungen, Verpflichtungen zur Inländerbehandlung und Meistbegünstigung sowie einige sektorspezifische Regelungen. Die erlaubten Ausnahmen davon sind in den Annexen SERVIN-1 und SERVIN-2 enthalten.
Zugang und vorübergehender Aufenthalt natürlicher Personen zu Geschäftszwecken: Vertragliche Dienstleistungserbringer („mode 4“), die bereits mindestens ein Jahr in ihrem Geschäftsfeld tätig sind sowie über mindestens drei Jahre Berufserfahrung verfügen, dürfen sich für maximal zwölf Monate (kumulativ) im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten. Dies gilt für bestimmte Sektoren und Aktivitäten sowie unter den Bedingungen von Annex SERVIN-4.
Konzerninterne Entsendungen (ICT): Unternehmen dürfen ihre Beschäftige konzernintern entsenden, sofern diese für mindestens ein Jahr (Beschäftigte mit Führungstätigkeiten und Spezialisten) oder sechs Monate („trainee employee“) im Unternehmen beschäftigt waren und sich nicht im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten. Beschäftigte mit Führungstätigkeiten und Spezialisten dürfen für maximal drei Jahre, „trainee employees“ für maximal ein Jahr entsandt werden. Die Konditionen und sektorspezifischen Bestimmungen sind im Annex SERVIN-3 geregelt. Beispielsweise gelten die Regelungen für konzerninterne Entsendungen in das VK nicht für NGOs.
Dienstreisen und kurzfristige Geschäftsaufenthalte: Ein Aufenthalt für die Ausübung bestimmter Aktivitäten ist bis zu 90 Tage innerhalb von sechs Monaten zulässig. Der Verkauf von Waren oder die Dienstleistungserbringung an die allgemeine Öffentlichkeit ist nicht erlaubt. Die Konditionen und die erlaubten Aktivitäten sind im Annex SERVIN-3 aufgelistet. Dies schließt u. a. die Teilnahme an Besprechungen oder Konsultationen, den Besuch von Messen, Fortbildungen oder Abschluss von Verträgen sowie Kundendienstleistungen ein.
Visafreiheit: Visafreies Reisen im Einklang mit den nationalen Regelungen wird durch das Handels- und Kooperationsabkommen gewährleistet (grundsätzlich 90 Tage innerhalb von 180 Tagen). Die Visafreiheit ist an die Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten sowie an Reziprozität gebunden: Sollte das VK die Visafreiheit für einen Mitgliedstaat aufheben, wird die EU Maßnahmen ergreifen, die anschließend die Visafreiheit für Briten in die EU beenden können.
Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit: Die künftigen Regeln sind im Protokoll über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit festgelegt. Sie gelten für Personen, die sich in einer grenzüberschreitenden Situation zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten und dem VK befinden. Die wichtigsten Inhalte:
Qualifikationen: Die EU-Regelungen zur gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen entfallen. Das Handels- und Kooperationsabkommen beinhaltet keine Vorschriften zur Anerkennung von Qualifikationen. Die Vertragsparteien dürfen verlangen, dass natürliche Personen über notwendige berufliche Qualifikationen für bestimmte Tätigkeiten verfügen.
Ab dem 1. Januar 2021 müssen solche beruflichen Qualifikationen im betroffenen Land grundsätzlich gemäß den nationalen Regelungen für Drittstaatsangehörige anerkannt werden. Die zuständigen Behörden können dem Partnerschaftsausschuss Empfehlungen über die Anerkennung von Qualifikationen vorlegen.
Gleiche Wettbewerbsbedingungen (Level-Playing-Field): Die Vertragsparteien dürfen grundsätzlich Regeln festlegen, das Schutzniveau bestimmen und ihre Gesetze im Einklang mit internationalen Verpflichtungen ändern. Das Handels- und Kooperationsabkommen sieht vor, dass das gewährleistete Niveau nicht unter den Stand abgesenkt wird, der in den am Ende der Übergangsperiode in der EU und im VK geltenden gemeinsamen Standards vorgesehen ist. Dies gilt für Grundrechte am Arbeitsplatz, Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, faire Arbeitsbedingungen und Beschäftigungsstandards, Informations- und Konsultationsrechte auf Unternehmensebene sowie Umstrukturierung. Streitigkeiten bezüglich dieser Vorschriften unterliegen den besonderen Streitbeilegungsverfahren des Kapitels, nicht den sonstigen vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismen des Abkommens.
Teilnahme an Unionsprogrammen: Das VK wird künftig nur an wenigen Unionsprogrammen teilnehmen. Am Erasmus+-Programm wird sich das VK nicht beteiligen.
Übergangsregelung für personenbezogene Daten: Die Übermittlung von personenbezogenen Daten in das VK wird für eine Übergangsphase nicht als Übermittlung in einen Drittstaat im Sinne des Unionsrechts betrachtet, vorausgesetzt dass das VK den aktuellen Rechtsstand vom 31. Dezember 2020 weiterhin anwendet. Die Übergangsphase endet entweder mit der Angemessenheitsentscheidung der EU-Kommission im Einklang mit dem Unionsrecht oder nach Ablauf von vier Monaten nach dem Inkrafttreten des Abkommens (verlängerbar um weitere zwei Monate, wenn keine Partei dem widerspricht).
Urteile gelten nicht mehr: Die grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstrekkung von Urteilen finden keine Anwendung mehr. Das sollte bei der Wahl des Gerichtsstandes berücksichtigt werden.
Das Handels- und Kooperationsabkommen wird vorläufig ab dem 1. Januar 2021 bis zum 30. April 2021 angewendet. Bis zu diesem Zeitpunkt soll das Europäische Parlament die Möglichkeit bekommen, das Abkommen zu prüfen und zu billigen. Die Implementierung des Handels- und Kooperationsabkommens wird fünf Jahren nach dem Inkrafttreten überprüft. Im Rahmen des Abkommens haben die EU und das VK sich auf ein Verfahren zur Streitbeilegung geeinigt. Für die Verwaltung und Implementierung des Abkommens werden ein übergeordneter Partnerschaftsausschuss und spezialisierte Ausschüsse eingerichtet.
Der Vorschlag der Kommission über die vorläufige Anwendung des Abkommens muss vom Rat der EU einstimmig angenommen werden. Für das endgültige Inkrafttreten sind die Zustimmung des Europäischen Parlaments mit Mehrheit seiner
Mitglieder sowie ein einstimmiger Beschluss des Rates der EU notwendig. Die Kommission ist der Ansicht, dass eine Ratifikation durch nationale Parlamente der Mitgliedstaaten nicht erforderlich ist. Zudem muss das Abkommen auch im VK gemäß den nationalen Vorschriften ratifiziert werden.
Vollständige „Grundsatzvereinbarung“
Weitere Informationen zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union und zum Austrittsabkommen